Das Prinzip des Stapelns zieht sich als roter Faden durch das künstlerische Werk des gebürtigen Briten (*1949 in Liverpool). In seinen ersten großformatigen Plastiken aus dem Werkkomplex ‚Stack’ (1975 -1985), lässt sich diese Methode unmittelbar nachvollziehen. Wie Gesteinsschichten stapeln sich von Natur und Menschenhand geschaffene Objekte und türmen sich zu einem Kubus auf.
Während sich seine frühen Werke hauptsächlich aus gefundenen Gegenständen wie zum Beispiel Strandgut, Glas- oder Plastikstücken zusammensetzen, entstehen seine jüngeren Arbeiten aus Materialien der klassischen Bildhauerei wie Holz, Bronze und Stahl. Hier schichten sich geometrische
Körper und Formen aufeinander, werden wiederholt, verzerrt und gedreht. Daraus gründeten zwei sich beständig entwickelnde und gelegentlich auch fusionierende Werkserien. In der Serie ‚Early Forms’ basiert das skulpturale Gefüge auf gestapelten „Gefäßen“, welche ein komplexes Spiel aus positiven und negativen Räumen bilden. Die Serie ‚Rational Beings’ bedient sich geometrischen Grundformen – meist Kreisen oder Ellipsen – die durch vielfältige Schichtung zu dynamischen Gebilden wachsen und gelegentlich abstrahierte menschliche Gesichter erahnen lassen.
Craggs Skulpturen befinden sich in einem Zustand zwischen natürlicher und künstlicher Gestalt. Geologie, Archäologie, Neurowissenschaft, Molekularbiologe oder Gentechnik dienen dem Künstler als unerschöpflicher Fundus, um Anregungen für Form und Materialität zu finden und Ideen weiterzuentwickeln.
Die nun in der Galerie Klüser 2 gezeigten Werke erinnern an versteinerte Fossilien, von Naturkräften modelliertes Gestein, oder – wie ‚Me and Me’ (2018) – an Sandrosen. Dennoch sind sie kein Abbild der Natur. Cragg bedient sich zwar ihrer Grundstrukturen, entwickelt daraus jedoch eine ganz eigene Formensprache und verleiht den Skulpturen durch geschmeidig glänzende Oberflächen, Patina und monumentaler Größe eine neue Identität.
Fernab von materiellen und physikalischen Einschränkungen kann sich die Formenforschung in seinen Zeichnungen frei entfalten. In einigen lassen sich direkte Bezüge zu seinen Skulpturen wiederfinden, andere entwickeln sich als eigenständige Serien autonomer Strukturen.
Als einer der bedeutendsten Bildhauer unserer Zeit hat Anthony Cragg somit ein Gesamtwerk geschaffen, indem er auf einzigartige und charakteristische Weise seine Formensprache beständig fortsetzt und immer wieder neu verortet.
Über den Künstler
Der Bildhauer Tony Cragg wurde 1949 in Liverpool geboren und lebt seit 1977 in Wuppertal. Während seines Studiums am Gloucestershire College of Art and Design und dem Londoner Royal College of Art beginnt er sich insbesondere für die Plastik zu interessieren. In seiner früheren Schaffenszeit verwendet Cragg vor allem Fundstücke wie Baugeröll, Kunststoffteile, Müll und Haushaltsgegenstände. Daraus entstehen nicht nur dreidimensionale Arbeiten, sondern auch Mosaike aus flacheren Objekten und Materialfragmenten. Ab den 80ern beginnt der Künstler sich traditionelleren Techniken wie der Zeichnung, Bronze- und Holzplastik zuzuwenden. Zur gleichen Zeit lehrte er bereits an der Kunsthochschule Düsseldorf, folgte jedoch 2001 einem Ruf an die Universität der Künste in Berlin. 2006 kehrte er schließlich an die Kunstakademie Düsseldorf zurück, wo er von 2009 bis 2013 als Rektor wirkte. Seine Werke sind in vielen bedeutenden internationalen Sammlungen und im öffentlichen Raum vorzufinden. Er erhielt renommierte Auszeichnungen wie den Turner-Preis (1988) und nahm an der documenta VII und VIII sowie diversen bekannten Kunstbiennalen teil. Die Galerie Klüser vertritt den Künstler seit 1981. Neben der Organisation und Unterstützung vieler Museumsausstellungen ist die Galerie Herausgeber einer großen Anzahl von Editionen und Katalogen des Künstlers.