Voglio vedere le mie montagne (Ich möchte meine Berge sehen)
Mit diesem letzten Wunsch verabschiedete sich Giovanni Segantini, der große Maler der Alpenwelt, in einer Berghütte auf dem Engadiner Schafberg 1889 aus dem Leben. Die Erhabenheit der Berge, deren Gipfel in früheren Zeiten nur schwer oder gar nicht zugänglich waren, und ihre gefühlte Nähe zum Himmel brachte in fast allen Kulturen und Religionen die Vorstellung „heiliger“ Berge mit sich – eine Tradition, die sich bis heute fortsetzt.
Mit diesem letzten Wunsch verabschiedete sich Giovanni Segantini, der große Maler der Alpenwelt, in einer Berghütte auf dem Engadiner Schafberg 1889 aus dem Leben. Die Erhabenheit der Berge, deren Gipfel in früheren Zeiten nur schwer oder gar nicht zugänglich waren, und ihre gefühlte Nähe zum Himmel brachte in fast allen Kulturen und Religionen die Vorstellung „heiliger“ Berge mit sich – eine Tradition, die sich bis heute fortsetzt.
Für den Dichter und ersten bedeutenden Humanisten Francesco Petrarca wurde die Besteigung des Mont Ventoux im 14. Jahrhundert zu einem spirituellen Schlüsselerlebnis. Leonardo da Vinci skizzierte Berglandschaften und Felsen, auch Dürer hielt seine Eindrücke der Reise über die Alpen fest. Nach der Aufklärung wurden die Berge im 19. Jahrhundert zum Hauptmotiv und lösen sich in der bildenden Kunst endgültig aus der Hintergrundfunktion: Caspar David Friedrich malte den Watzmann, Paul Cézanne immer wieder das Bergmassiv Saint Victoire, Ferdinand Hodler und Segantini entwickelten ihre unverwechselbare Bildsprache beim Erfassen der Schweizer Berglandschaft. Nicht zuletzt betitelte Joseph Beuys 1971 sein bedeutendes Environment im Eindhovener Museum „Voglio vedere le mie montagne“.
In diese Tradition reiht sich Jonathan Bragdon mit seinen Panoramazeichnungen der Walliser Berge ein. Immer wieder verbringt er mehrere Wochen in dem Dorf Bex oberhalb des Rhonetals, begibt sich mit Papier, Stiften und Zeichenbrett in die Landschaft, um in situ die überwältigende Naturpräsenz sublim zu erfassen. Objektive Erscheinung und deren subjektive Wahrnehmung nähern sich an, werden transparent gemacht, verdichtet und transformiert. Die räumlichen Hierarchien der Berge bleiben sichtbar, werden bei Bragdon jedoch häufig durch ein wichtiges Bewegungs- und Zeitelement ergänzt: Die oft monumentalen Wolkenformationen verändern sich ständig, erscheinen in ihrer Konsistenz immateriell und sind doch als elementare Kraft ebenso präsent wie die ewige Statik der Berge.
Dass Zeichnungen wie Gedichte sein können, belegen auch die „Consciousness Drawings“, eine Werkgruppe abstrakter Notationen, die die innere Welt des Künstlers nach außen tragen, um eine Formulierung jenseits der sprachlichen Möglichkeiten zu finden.
„Painting is silent poetry and poetry is painting with the gift of speech“, befand schon Simonides. Mit Blick auf die Zeichnungen von Jonathan Bragdon kann man dem Satz nur zustimmen.
In diese Tradition reiht sich Jonathan Bragdon mit seinen Panoramazeichnungen der Walliser Berge ein. Immer wieder verbringt er mehrere Wochen in dem Dorf Bex oberhalb des Rhonetals, begibt sich mit Papier, Stiften und Zeichenbrett in die Landschaft, um in situ die überwältigende Naturpräsenz sublim zu erfassen. Objektive Erscheinung und deren subjektive Wahrnehmung nähern sich an, werden transparent gemacht, verdichtet und transformiert. Die räumlichen Hierarchien der Berge bleiben sichtbar, werden bei Bragdon jedoch häufig durch ein wichtiges Bewegungs- und Zeitelement ergänzt: Die oft monumentalen Wolkenformationen verändern sich ständig, erscheinen in ihrer Konsistenz immateriell und sind doch als elementare Kraft ebenso präsent wie die ewige Statik der Berge.
Dass Zeichnungen wie Gedichte sein können, belegen auch die „Consciousness Drawings“, eine Werkgruppe abstrakter Notationen, die die innere Welt des Künstlers nach außen tragen, um eine Formulierung jenseits der sprachlichen Möglichkeiten zu finden.
„Painting is silent poetry and poetry is painting with the gift of speech“, befand schon Simonides. Mit Blick auf die Zeichnungen von Jonathan Bragdon kann man dem Satz nur zustimmen.
Ausgewählte Werke
Les Dents du Midi under Clouds from above Val d’Illiez (2014/15)
Graphit auf Papier
28,5 x 76,5 cm
Looking toward les Dents du Midi, Val d’Illiez (2014/15)
Graphit auf Papier
28,5 x 76,5 cm

Über den Künstler
Jonathan Bragdon wurde 1944 in Delaware, USA, geboren und lebt seit 1979 in Amsterdam. Nach dem Studium der Kunsttherapie in Lausanne und dem Erfolg der ersten Einzelausstellung in Cambridge, Massachusetts, beschloss er 1967, sich ausschließlich seiner Tätigkeit als freischaffender Künstler zu widmen. Der Großteil von Bragdons Arbeiten reiht sich in die Tradition der Landschaftszeichnung ein. Die Graphit- und Tuschearbeiten kennzeichnen sich durch ihre präzisen feinen Striche, Punktlinien und Schraffuren, die in ihrer Gesamtheit zarte und imposante Landschaftsbildnisse hervorbringen. Mit der Werkreihe „Consciousness Drawings“ erweitert Bragdon sein künstlerisches Œuvre und wendet sich mit abstrakten dynamischen Zeichnungen der gegenstandslosen Darstellung zu. Seine Werke sind in mehreren nationalen und internationalen Sammlungen vertreten, unter anderem im Stedelijk Museum in Amsterdam.