Eröffnung: 10. März 2022, 17 - 20 Uhr
Finissage: 23. Mai 2022, 18 - 21 Uhr
formen immer neue Bilder. Jedes Detail ist Element einer großen Collage aus unterschiedlichsten Werkserien und Themen Gregor Hildebrandts.
Jede seiner Ausstellungen ist ein sorgsam aufeinander abgestimmtes Gefüge. Mit dem Eintritt in die Galerieräume betritt man scheinbar selbst die Bühne und befindet sich mitten in der ‘Arrivederci-Show’, umrahmt von schimmernden Vorhängen aus VHS-Bändern, deren Tiefschwarz ins Farblose zerrinnt. ‘Summertime’ von 1955 – Katharine Hepburn verbringt als Jane romantische Urlaubstage in Venedig – fließt die Wände herab.
Videoband-Collagen, etwa aus dem Film ‘Arrivederci Baby’, sind in die Flächen eingesetzt. Ein monumentaler Schach-Bauer aus Bronze geht auf den schwarzen Dielen den letzten Zug.
Ein tatsächliches Bruchstück einer Erinnerung an vergangene Zeiten findet sich in dem Schriftzug ICH ERWARTE DEN HERRN MIT GROSSER GEDULD, ENDLICH HAT ER SICH ZU MIR HERABGELASSEN. Das Werk ‚Scala’ transferiert ein Stück Berliner Clubgeschichte, aber auch eine langgegenwärtige persönliche Erinnerung des Künstlers gleich einer Spolie an die Wand. Es ist ein Satz aus dem Buch ‚Kleine Titanen’ (1915) von Nescio, in dem der Schriftsteller von den (einst) romantisch-idealistischen Ambitionen und Zukunftsplänen eines Künstlerdaseins der jugendlichen Protagonisten erzählt. In französischen Lettern schrieb sich einer der Akteure die biblischen Worte über die Küchentür, die Gregor Hildebrandt 2009 ins Deutsche und auf die Wand über der Bar des Scala übertrug – und ein Jahr später bei Schließung des Clubs wieder ab.
Seit seiner Kindheit begleiten Gregor Hildebrandt bereits die Werke des ungarisch-deutschen Architekten und Künstlers György Lehoczky (1901-1979): von ihm stammte das Glasfenster im Treppenhaus seiner Oma in Saarbrücken. Bei ihr hing auch der Entwurf eines Kirchenfensters des Künstlers, dem Gregor Hildebrandt nun mit ‘eine zögernde Stunde’ eine Hommage aus Schallplatten widmet. Der Titel ist einem Gedicht von Gottfried Benn entliehen, in dem es heißt: „Die Götter halten die Waage / eine zögernde Stunde an.“
Ein Zitat aus Japan findet sich wiederum in dem Tondo aus Vinyl. Das Ornament ist einem der dort zahlreichen verzierten Kanaldeckel nachempfunden: Kirschblüten übersähen das Rund, einzig ihre Textur hebt sie im Streiflicht vom schwarzen Untergrund ab, mit Ausnahme einiger vereinzelter Blüten in Weiß. Nur wenige Tage dauert die Kirschblüte an und steht zugleich für Aufbruch und Vergänglichkeit.
Aufbruch und Vergänglichkeit schwingt auch in der ‘Arrivederci-Show’ mit. „Eine zögernde Stunde“ noch belebt die Ausstellung die Räumlichkeiten der „Klüser 2“, bevor sich im Mai ihre Türen nach zwei Jahrzehnten schließen werden. Wir freuen uns sehr, mit dieser Einzelausstellung von Gregor Hildebrandt zugleich auch ein so imposantes wie nuanciertes visuelles Abschiedsfest zu zeigen!
Arrivederci Klüser 2 – wir freuen uns auf ein Wiedersehen in den Räumen der Georgenstraße!
Ausgewählte Werke
bye bye (2022)
verso signiert, betitelt und datiert
VHS Band und Acryl auf Leinwand
107 x 60 cm
Arrivederci, Baby (2022)
verso signiert, betitelt und datiert
VHS-Band und Acryl auf Leinwand
229 x 174 cm
Zweiraumwohnung (2022)
signiert, datiert und betitelt
gefundene Objekte
33 x 15 x 16 cm
Und doch läßt etwas Kirschen blühen (2022)
SOLD
Schallplatten, Leinwand, Holz
∅ 74 cm
Arrivederci (2022)
verso signiert, betitelt und datiert
VHS-Magnetband-Beschichtung, Acrylkleber, Acryl auf Leinwand
192 x 144 cm
Über den Künstler
Gregor Hildebrandt wurde 1974 in Bad Homburg v. d. Höhe geboren. In seinen Bildern und Installationen verarbeitet er analoge Datenträger. So entstehen aus verformtem Vinyl, Kassettenschachteln oder direkt auf Leinwand angebrachten Tonbändern minimalistische Werke, denen durch die musikalische Vorgeschichte eine weitere, unsichtbare Dimension hinzugefügt wird.